Wie funktioniert die AG „Für den Frieden“?

Die AG „Für den Frieden“ besteht aus SchülerInnen der KGS Rastede aus den Jahrgängen 9 bis 13 und einem Lehrer. Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft besuchen vornehmlich die Gymnasiale Oberstufe der KGS Rastede, kommen jedoch auch aus Klassen der Sekundarstufe I. Je nach Motivation und Anlass beteiligen sich interessierte SchülerInnen, die keine kontinuierliche Mitwirkung einrichten können, als assoziierte Mitglieder an einzelnen Aktionen und Veranstaltungen. Während der Lehrer wegen seiner dauerhaften Präsenz einen Kristallisationspunkt der AG „Für den Frieden“ darstellt, unterliegt der Teilnehmerkreis der SchülerInnen naturgemäß einem steten Wandel. Gemäß den Organisationsprinzipien der Institution Schule verlassen die SchülerInnen die Arbeitsgemeinschaft in der Regel nach dem Ende ihrer Schulzeit. Gleichwohl beteiligen sich ehemalige SchülerInnen als StudentInnen oder Auszubildende aus Interesse bzw. politischer Überzeugung weiter an den Aktionen und Veranstaltungen der Arbeitsgemeinschaft, indem sie z.B. Veranstaltungen moderieren oder als Gäste verfolgen und an Exkursionen oder Empfängen teilnehmen. Dass SchülerInnen während ihrer Schulzeit die Mitarbeit in der AG beenden, stellt eine Ausnahme dar, deren Gründe weniger in der politischen Ausrichtung der Arbeit oder in der personellen Zusammensetzung der Gruppe, sondern zumeist in schulischen Belastungen liegen. Die unvermeidliche Fluktuation der SchülerInnen erfordert auf der einen Seite die fortgesetzte Neuorientierung der Gruppe und forciert auf der anderen Seite die Überprüfung bisheriger Strukturen und Prinzipien sowie die Konstitution der inhaltlichen Arbeit. Dennoch stellen bis heute weder die kontinuierliche Neubesetzung des Teams, die Modifizierung struktureller Modalitäten noch die Verschiebung inhaltlicher Prioritäten die Grundkonzeption oder die Existenz der Rasteder Arbeitsgemeinschaft insgesamt in Frage. Derzeit gehören der AG „Für den Frieden“ zehn Mitglieder an.

Die Mitarbeit in der Arbeitsgemeinschaft folgt einem mehrdimensionalen Entscheidungsgeflecht aus persönlichen Interessen, zwischenmenschlichen
Beziehungen, schulinternen Rahmenbedingungen und aktuellen politischen sowie gesellschaftlichen Entwicklungen. So sind z.B. die vier Mädchen, die 1998 zusammen mit dem Lehrer die AG „Für den Frieden“ gründen, allesamt Schülerinnen des 12. Jahrganges, im Privatbereich sehr gute Freundinnen und Mitglieder eines Politik-Grundkurses, der im Themenbe-reich „Internationale Politik und globale Verantwortung“ auch den Kosovo-Krieg und die Verfolgung der Roma nach Beendigung des Konflikts bearbeitet. Auch der Bekanntheitsgrad der AG „Für den Frieden“ in der Schule und in der Öffentlichkeit motiviert SchülerInnen als Sekundär-grund vereinzelt zur Mitgliedschaft.

Zu den wesentlichen Strukturelementen der AG „Für den Frieden“ zählen die Autonomie und die Gleichberechtigung des politischen Handelns. Innerhalb der Schule bewahrt sich die Arbeitsgemeinschaft einen selbstständigen Charakter, ohne dabei isoliert zu arbeiten. Als Form schulischer Projektarbeit verfolgt die AG zwar ein bestimmtes Thema und ein Ziel, aber sie ist offen, verläuft ohne zeitlichen Druck, kommt ohne Leistungskontrollen aus und folgt den Interessensrichtungen der Mitglieder. Die AG „Für den Frieden“ initiiert und organisiert in Eigenregie Aktionen und Veranstaltungen und führt sie in selbstständiger Verantwortung durch. Notwendige Absprachen mit dem Didaktischen Leiter bzw. der Schulleitung der KGS Rastede betreffen schulorganisatorische Anforderungen und greifen nicht in die inhaltliche Kompetenz der Arbeitsgemeinschaft ein. Innerhalb der Arbeitsgemeinschaft verfügen alle Mitglieder über denselben Status. Ebenso wie die Initiative für den Aktionsradius der Arbeitsgemeinschaft den AG-Mitgliedern zusteht, ebenso befinden sie in einem gleichberechtigten Diskurs gemeinsam über Inhalte und Gestaltung der Aktivitäten.Während die Vorbereitung der Veranstaltungen eine Aufgabe des gesamten Teams ist, liegt die Durchführung allein in der Hand derjenigen SchülerInnen, die z.B. als ModeratorInnen öffentlicher Diskussionen vielschichtige instrumentelle Kompetenzen erwerben. Sowohl der demokratische Standard als auch der diskursive Prozesscharakter zeichnen die AG „Für den Frieden“ als politische Basisinitiative aus. Dass der beteiligte Lehrer innerhalb der Arbeitsgemeinschaft dennoch eine besondere Position einnimmt, ist lediglich ein Bezug auf seine offizielle Funktion sowie auf seine Erfahrungen, Kontakte und Verantwortlichkeiten.

Die Finanzierung der Arbeitsgemeinschaft speist sich aus verschiedenen Geldquellen. Während in der Gründerzeit die AG-Arbeit kaum Kosten verursacht, bedürfen in der Gegenwart die Planung und die Durchführung der AG-Aktivitäten regelmäßig finanzieller Zuwendungen. Die erste Großveranstaltung zum Erinnerungsgang im November 1998 und die zweite Großveranstaltung „Serbien, die NATO und der Friede“ im Mai 1999 beschränken sich auf die schulinternen Kopierkosten für Ankündigungsplakate. Dass das Finanzvolumen nachfolgender Aktivitäten steigt, spiegelt sowohl die zunehmende Professionalisierung als auch die steigende Qualität der Aktionen und Veranstaltungen wider. Die AG „Für den Frieden“ benötigt heute z.B. Gelder für Informations- und Werbematerial, für Reise- und Honorarkosten von ReferentInnen oder für Veranstaltungsrequisiten. Dementsprechend besitzt das Finanzbudget der KGS Rastede mittlerweile einen spezifischen Haushaltstitel für die AG „Für den Frieden“. Darüber hinaus unterstützt der Förderverein der KGS Rastede die AG „Für den Frieden“ auf Antrag mit finanziellen Zuwendungen, z.B. für die Exkursion nach Auschwitz im Jahre 2004. Externe Institutionen komplettieren die Mischfinanzierung der AG „Für den Frieden“: das BLK-Transfer-Programm Niedersachsen, der Oldenburger Verein PAEDALE e.V. und bis zum Jahresende 2004 die Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung, deren Auflösung die Arbeit der AG „Für den Frieden“ erschwert und sogar begrenzt. Der Lehrer bekommt heute zwei Entlastungsstunden.

Der politische Ausgangspunkt der AG „Für den Frieden“ ist der alljährliche „Erinnerungsgang“ anlässlich der Reichspogromnacht in Oldenburg. Seit 1998 gehört die AG „Für den Frieden“ dem Oldenburger „Arbeitskreis Erinnerungsgang“ an. In dieser Funktion bereitet sie den Erinnerungsgang mit vor und hält wiederholt die Ansprachen während der Durchführung. Mit der Erinnerung und dem Gedenken an die Opfer des Deutschen Faschismus geht der Kampf gegen den aktuellen Faschismus, Rassismus und Rechtsextremismus einher. Eine zweite Initialzündung der AG „Für den Frieden“ ist der Krieg um das Kosovo 1999. Dieser militärische Konflikt veranlasst die Arbeitsgemeinschaft zur aktiven Friedenspolitik. Die tägliche Information der SchülerInnen über eine Nachrichtenbörse im Forum der KGS Rastede mündet im Mai 1999 in die Veranstaltung „Serbien, die NATO und der Friede“ mit Hans Koschnick. Die Erinnerung und das Gedenken stellen einen zentralen Schwerpunkt der AG-Arbeit dar. Den zweiten Schwerpunkt bildet das Engagement für eine friedliche und humane Zivilgesellschaft.

Die politische Utopie der AG „Für den Frieden“ konkretisiert sich in sechs Themenfeldern. Eingebettet in das Projekt „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ zählen hierzu:

Themenfelder der AG „Für den Frieden“

  • Sinti und Roma
  • Juden und Antisemitismus
  • Erinnerungsgang zur Reichspogromnacht
  • Kampf gegen den Rechtsextremismus
  • Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage
  • Für den Frieden

Zu den sechs Themenfeldern bietet die AG „Für den Frieden“ den SchülerInnen der KGS Rastede und der Öffentlichkeit Aktionen und Veranstaltungen an. Die Auswahl der Aktivitäten unterliegt aktuellen Entwicklungen, politischen Interessen der AG-Mitglieder und der Grundkonzeption der Arbeitsgemeinschaft. So dominiert z.B. im Frühling 2003 der Irak-Krieg die Kapazitäten der Arbeitsgemeinschaft, während im Sommer 2005 der Einsatz für das Mahnmal für die vom Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma im Vordergrund steht. Seit der Neustrukturierung des „Arbeitskreises Erinnerungsgang“ in den Jahren 2004 und 2005, die die Organisation des Erinnerungsprimär in einem Wechselrhythmus den Oldenburger Schulen überantwortet, bezieht sich das Arbeitsfeld Erinnerungsgang zur Reichspogromnacht primär auf die Teilnahme an dem Erinnerungsgang.

Über die Eigeninitiative und die Eigenkompetenz hinaus befruchten von Beginn an vielfältige Kontakte zu fachlichen ExpertInnen, zu Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und zu politischen Institutionen die Arbeit der AG „Für den Frieden“. Wiederholt lädt die AG „Für den Frieden“ renommierte WissenschaftlerInnen zu Vorträgen und Diskussionsrunden ein. Darüber hinaus initiiert die AG „Für den Frieden“ für die SchülerInnen der KGS Rastede und die Öffentlichkeit einen mehrdimensionalen Diskurs mit ZeitzeugInnen und PolitikerInnen. In Kooperation mit anderen Organisationen führt die AG „Für den Frieden“ in unregelmäßiger Folge ebenso hausinterne Veranstaltungen wie Aktionen außerhalb der KGS Rastede durch. Zu den Kooperationspartnern der AG „Für den Frieden“ gehören z.B.:

Kooperationspartner der AG „Für den Frieden“

  • Zentralrat Deutscher Sinti und Roma
  • Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma
  • Bremer Sinti Verein
  • Bremerhavener Sinti Verein
  • Jüdische Gemeinde zu Oldenburg
  • Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Oldenburg
  • Zentralrat der Juden in Deutschland
  • Gesellschaft für bedrohte Völker
  • Amnesty international
  • Terre des hommes
  • UNICEF
  • IBIS Oldenburg
  • Opferperspektive e.V.
  • Bundesausschuss Friedensratschlag
  • Niedersächsischer Verfassungsschutz
  • Arbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt Braunschweig
  • Bundeskoordination Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage
  • BLK-Transfer-Programm Niedersachsen
  • Carl von Ossietzky Universität-Oldenburg
  • Stachel Oldenburg
  • Werkstatt Film Oldenburg
  • Evangelische Kirche Rastede
  • Gewerkschaftsjugend Niedersachsen

Neben der Kooperation mit den Vertretungen der Sinti und Roma besitzt die Zusammenarbeit mit der Jüdischen Gemeinde zu Oldenburg eine herausragende Intensität. Die Vorsitzende, Sara Ruth Schumann, spricht als Patin der Rasteder „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ mit Schulklassen, besucht als Gast Veranstaltungen der AG „Für den Frieden“ und organisiert mit der Arbeitsgemeinschaft gemeinsame Aktivitäten. Zusätzlich lädt die Jüdische Gemeinde die Rasteder SchülerInnen kontinuierlich zu Festlichkeiten oder zu Gemeindetreffen nach Oldenburg ein, z.B. zu Chanukka, zum 40. Jahrestag der Gründung des Staates Israel oder zur Amtseinführung des neuen Rabbiners Daniel Alter im September 2006. Die Teilnahme an diesen Kooperationsveranstaltungen bietet den Mitgliedern der AG „Für den Frieden“ einerseits einzigartige Einsichten in den thematischen Kontext sowie die Besonderheit gesellschaftlicher bzw. privater Begegnungen und entwickelt andererseits individuelle instrumentelle und soziale Kompetenzen. Eine regelmäßige Zusammenarbeit pflegt die AG „Für den Frieden“ zusätzlich mit der Gesellschaft für bedrohte Völker, der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und mit der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg.

Ähnlich mehrschichtig wie die Themenfelder und die Kooperationen sind die Aktionsformen der AG „Für den Frieden“. Das Team realisiert seine politischen und gesellschaftlichen Initiativen gemäß den Interessen und den Kompetenzen der AG-Mitglieder sowie entsprechend den Bedürfnissen und den Zugängen der teilnehmenden SchülerInnen in wechselnden Variationen. Eine altersspezifische Gestaltung und eine attraktive Aktualisierung der Aktionen und Veranstaltungen animieren die Jugendlichen zur aktiven Teilnahme und erhöhen die Möglichkeit zur politischen Informations- und Meinungsbildung.

Aktionsformen der AG „Für den Frieden“

  • Demonstrationen
  • Mahnwachen
  • Workshops
  • Projekttage
  • Podiumsdiskussionen
  • Kundgebungen
  • Unterschriftensammlungen
  • Ausstellungen
  • Lesungen
  • Theateraufführungen
  • Filmvorführungen
  • Konzerte
  • Plakataktionen

Mit der Entscheidung für öffentliche Aktionsformen, z.B. Demonstrationen und Mahnwachen, verlässt die AG „Für den Frieden“ die gesellschaftliche Abgeschiedenheit der Institution Schule und bezieht die lokale bzw. die überregionale Bevölkerung der BRD in ihre Aktivitäten ein. Die Arbeitsgemeinschaft führt in der Öffentlichkeit eigene Aktionen durch und beteiligt sich an öffentlichen Aktionen anderer Or-ganisationen. So ge-staltet die AG „Für den Frieden“ z.B. im Juni 2006 auf dem „3. Zukunftstag Schule“ in Lingen einen Workshop „Sinti und Roma“ und sammelt als Außenstelle der Gesellschaft für bedrohte Völker im Dezember 2004 Unterschriften gegen den Völkermord in Dafur in der Oldenburger Innenstadt. Um den Landesparteitag der NPD in Oldenbuerg zu verhindern, konzipiert die AG „Für den Frieden“ im April 2007 in Kooperation mit der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg und der Stadt Oldenburg einen Alternativveranstaltung im Oldenburger Kulturzentrum PFL und führt dort zusätzlich einen Workshop zur Humanisierung und Demokratisierung der Gesellschaft durch. Darüber hinaus nutzt die AG „Für den Frieden“ die Medien als Informationsplattform zur Darstellung ihrer politischen Positionen. In der Schülerzeitung „Vogelfrei“ der KGS Rastede kündigt die Arbeitsgemeinschaft schulinterne Veranstaltungen an und informiert über tagespolitische Entwicklungen. Die überregionale „Nordwest-Zeitung“ berichtet ebenso wie die lokale „Rasteder Rundschau“ zumeist in plakativer Ausführlichkeit über Veranstaltungen der AG „Für den Frieden“. Das Oldenburger Szeneblatt „Stachel“ druckt kontinuierlich Artikel über die Aktivitäten und die politischen Positionen der Rasteder Arbeitsgemeinschaft. Fernsehanstalten dokumentieren in ihrem Programm einzelne AG-Aktionen, z.B. die Demonstrationen gegen Rechts vom Oktober 2000 und den Besuch Paul Spiegels im Mai 2003. Das Oldenburger Lokalradio OK1 sendet wiederholt Interviews mit der „Für den Frieden“, z.B. zum Oldenburger Erinnerungsgang und zum Thema „Sinti und Roma“. Die Arbeitsgemeinschaft nutzt die mediale Öffentlichkeit, um zu aktuellen politischen Fragen Stellung zu beziehen und um die Entwicklung des gesellschaftlichen Bewusstseins zu befördern. In ähnlicher Weise stellt die Internetseite der AG „Für den Frieden“ (www.ag-fuer-den-frieden.de) die politische Position der Arbeitsgemeinschaft vor, dokumentiert ihre Aktionen und Veranstaltungen und bietet die Möglichkeit diskursiver Partizipation in der Öffentlichkeit.