wir sind hier allesamt nigger, wir haben unser ghetto, wir schleppen’s überall hin, wir dampfen fremdländisch, unser schweiß ist nigger, unser leben ist nigger, die goldketten sind nigger, unsere zinken und unsere fressen sind nigger und unser eigener stil ist so verdammt nigger, daß wir wie blöde an unsrer haut kratzen, und dabei kapieren wir, daß zum nigger nicht die olle pechhaut gehört, aber zum nigger gehört ne ganze menge anderssein und anders leben. Die haben schon unsre heimat prächtig erfunden: kanake da, kanake dort, wo du auch hingerätst. Als hättest du’n krebsklumpen mitten in der visage. Das is die niggernummer, kumpel, es gibt die saubere kanakentour und die schmutzige, was auch immer du anstellen magst, den fremdländer kannst du nimmer aus der fresse wischen.
Feridun Zaimoglu
Rechtsextremismus im Alltag der BRD
In der BRD hat der Rechtsextremismus seine „traurigen Ausbrüche vor allem in den ausländerfeindlichen Anschlägen der frühen neunziger Jahre“ (Cohn-Bendit). Mit der Ermordung Antonio Amadeu Kiowas beginnt die jüngste Chronik rassistischer Gewalttaten von Rechtsextremisten, die bis in die Gegenwart hinein reicht. 50 bis 60 rechtsextreme Skinheads überfallen in der Nacht zum 25. November 1990 mit Messern und Knüppeln den Hüttengasthof im brandenburgischen Eberswalde. Obwohl die Polizei über den Angriff informiert ist und der Gastwirt seine Gäste warnt und das Lokal verschließt, greifen jugendliche Nazis mehrere Afrikaner an. Während den meisten Afrikanern – z.T. schwer verletzt – die Flucht gelingt, fällt Kiowa den Angreifern in die Hände. Nach zwei Wochen im Koma erliegt Kiowa seinen Verletzungen. Das Bezirksgericht Frankfurt / Oder verhängt im September 1992 in 16 Verfahren über fünf Jugendliche Bewährungs- bzw. Haftstrafen bis zu vier Jahren.
Antonio Amadeu Kiowas Tod dokumentiert einerseits die offene und brutale Gewalt, die seit mehr als 15 Jahren zum Bestanteil der bundesdeutschen Gesellschaft gehört und der sowohl staatliche Institutionen als auch BürgerInnen immer wieder einfach nur zusehen. Andererseits offenbart die Ermordung Kiowas insbesondere den akuten Rechtsextremisms in der BRD, der sich gegen alles richtet, was „nicht-deutsch“ oder sogar „undeutsch“ scheint, und der nicht nur ein Phänomen des gesellschaftlichen Randes ist. Eberswalde ist der signifikante Ausdruck eines rassistischen Diskurses, der längst in der Politik, der Gesellschaft und in der Kultur der BRD etabliert ist. Seither gab es zahllose rassistische Angriffe mit tödlichem oder beinahe tödlichem Ausgang, viele Menschen starben, wurden erschlagen, verbrannten in „abgefackelten“ Unterkünften, wurden ins Koma oder in den Rollstuhl geprügelt. Die Namen Schwedt, Lübeck, Solingen, Mölln, Wurzen, Dresden, Magdeburg, Rathenow, Eberswalde, Eggesin, Kolbermoor und Guben stehen für die Tatsache, dass rassistische Gewalt in Deutschland mitnichten eine Ausnahmeerscheinung ist, sondern tödlicher Alltag in einer hilf- und tatenlosen Gesellschaft.
Die Eskalation des Rechtsextremismus in Gewaltakten findet nach der Jahrtausendwende ihre Fortsetzung. Rechtsextremismus ist längst ein alltägliches Phänomen der BRD. Der Begriff lässt zwar vermuten, beim Rechtsextremismus handele es sich nur um einzelne Personen am gesellschaftlichen Rand, gewissermaßen um verirrte Ausnahmen. Aber der Rechtsextremismus der Gegenwart findet sich in allen gesellschaftlichen Gruppen und insbesondere auch in der gesellschaftlichen Mitte wieder. Rechtsextremismus gehört im Jahre 2007 zum allgemeinen politischen und gesellschaftlichen Spektrum der BRD.
So hielt der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Günther Oettinger (CDU), erst im April eine Grabrede für den verstorbenen Nazi-Richter Filbinger, in der er seinen Amtsvorgänger als Gegner des Nationalsozialismus lobte. Viele Parteifreunde unterstützten Oettingers Entgleisung, ehe er auf Drängen der Parteivorsitzenden eine fadenscheinige Entschuldigung veröffentlichte.
Auch die Zentralen Ausländer- und Aufnahmebehörden in Niedersachsen manifestieren Tendenzen der Inhumanität und rechtsextremistischer Gesinnung in der BRD. Asylsuchende werden dort, wie in Oldenburg-Blankenburg, unter menschenverachtenden Lebensbedingungen oftmals jahrelang eingepfercht, um auf diese Weise – wie es das Niedersächsische Innenministerium formuliert – „ihre Bereitschaft zu stärken, das Land freiwillig zu verlassen.“
Wird der Rechtsextremismus in den frühen 1990er Jahren zum größten Teil noch als vorübergehende jugendtypische Verhaltensweise bagatellisiert, so zählt heute rechtsextreme Gewalt zu einer dauerhaften Angelegenheit unserer Gesellschaft, auch wenn sich die öffentliche und politische Auseinandersetzung häufig nur an temporäre und an besondere Ereignisse bindet. Statistiken der Bundesregierung, wissenschaftliche Untersuchungen und Presseberichte belegen sowohl die fortgesetzten Gewalttaten mit rechtsextremem Hintergrund als auch das Potenzial für rechtsextreme Gewalttaten. Sowohl der so genannte „Krieg gegen den Terrorismus“, dessen Bild vom bösen Moslem zum Kampf gegen die fremde Kultur auffordert, als auch die Verschärfung ökonomischer und gesellschaftlicher Verteilungskämpfe und die Debatte um die deutsche Leitkultur befördern den Nationalismus und die Abwehr des Anderen. Wer nicht die Eigenschaften der eigenen Gruppe besitzt und nicht den Vorstellungen der Mehrheitsgesellschaft entspricht, erscheint als Gefahr des gesellschaftlichen Vertrages und wird ausgegrenzt und sogar mit Gewalt verfolgt. Bundesbehörden wie der Verfassungsschutz, wissenschaftliche Untersuchungen und Presseinformationen dokumentieren das Anwachsen der rechtsextremistischen Szene. Die Zahl der Parteimitglieder steigt ebenso wie die Zahl der „Freien Kameradschaften“ oder der Sympathisanten auf der Straße.
Laut Verfassungsschutzbericht des Bundesministeriums des Inneren vom Mai 2006 hängen im Jahre 2005 in der BRD 39.000 Personen rechtsextremistischen Orientierungen an; insgesamt 183 Organisationen (2004: 168) dienen den Rechtsextremisten als politische Sammelbecken; das neonazistische Potenzial steigt im Jahr 2005 um acht Prozent auf 4.100 Personen; die NPD erhöht ihre Mitgliederzahl von 5.300 im Jahr 2004 auf 6.000 im Jahr 2005; der Kreis gewaltbereiter Rechtsextremisten wächst gegenüber dem Vorjahr um 400 Personen auf 10.400 im Jahr 2005. Im „Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“ werden 15.361 (2004: 12.051) Straftaten mit extremistischem Hintergrund, darunter 958 (2004: 776) Gewalttaten erfasst. Damit steigt die Zahl der politisch rechts motivierten Straftaten mit extremistischem Hintergrund um 27,5%, die der Gewalttaten um 23,5%. Der Anteil der Gewalttaten an der Gesamtzahl der politisch rechts motivierter Straftaten mit extremistischem Hintergrund beträgt 6,2% (2004: 6,4%). Die Statistiken unabhängiger Organisationen, z.B. der Opferperspektive, weisen höhere Zahlen als die offiziellen Listen der Bundesbehörden aus. Auch die Organisation einer terroristischen rechtsextremistischen Gruppierung im Sinne einer „Braunen Armee Fraktion“, lange Zeit in der rechtsextremistischen Szene entweder Tabu oder unrealistische Vision, erscheint nach dem geplanten Anschlag auf die neue Münchner Synagoge und in Anbetracht des erweiterten Kreises gewaltbereiter Rechtsextremisten als vorstellbare Alternative.
Flüchtlinge und Menschen ohne weiße Hautfarbe sind in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr sicher. Antisemiten schänden Synagogen und jüdische Friedhöfe und bedrohen die Alltagsexistenz der Juden. Sinti und Roma werden ebenso wie andere Minderheiten als Belastung des Sozialstaates und als Spaltpilz der deutschen Kultur diskriminiert. Rechtsextreme Organisationen und Parteien zeigen zunehmend Präsenz auf bundesdeutschen Straßen, wie z.B. am 11. März 2007 in Oldenburg. Die Abgeordneten von NPD und DVU positionieren rechtsextreme Denk- und Handlungsmuster in den Landtagsdebatten und unterlaufen die politische Kultur.
Die Stichwortgeber von rechts besitzen nicht nur die Meinungshoheit an den Stammtischen; sie finden sich auch in Wirtschaftsunternehmen, in Parlamenten, in den Medien und auf Schulhöfen – manchmal hinter vorgehaltener Hand, immer häufiger jedoch ganz ungeniert.
Zusammen mit der gesellschaftlichen Praxis und mit rechtstaatlichen Gesetzen begründen rechtsextreme Parolen Stimmungen, Ängste und kollektive Feindbilder und befördern Ausgrenzung und Diskriminierung. Die Ablehnung des Fremden, des scheinbar Bedrohlichen bestätigt die bestehenden Machtverhältnisse. Die Ideologie der Ungleichwertigkeit produziert eine Ellbogengesellschaft, die nur noch die Anpassung an materielle Erfordernisse verlangt und die Menschen spaltet. In Arme und Reiche, in Alte und Junge, in Dieselben und die Anderen, Menschen, die hier zu Hause sein dürfen, und Fremde, die möglichst schnell wieder weg gehen sollen.
Anschläge und Pogrome, die das neofaschistische Gedankengut in gewalttätige bzw. mörderische Aktionen umsetzen und deshalb für kurze Zeit die Aufmerksamkeit der medialen Öffentlichkeit beanspruchen, sind lediglich die Spitze des Eisberges. Die Ideologie des Rassismus und des Rechtsextremismus ist zu Beginn des 21. Jahrhunderts ein etablierter Teil des kulturellen Codes der Gesellschaft. Die Verbreitung rechtsextremistischer Theoreme ist empirisch ebenso belegt wie deren differenzierte Verankerung in unterschiedlichen gesellschaftlichen Diskursen. Den Parteien des rechten Spektrums fällt in dem rechtsextremistischen Diskurs die Aufgabe zu, sowohl das Potenzial des Rechtsextremismus zu kanalisieren als auch die personale und die ideologische Basis zu intensivieren. Die Wahlerfolge der NPD und der DVU bei den Landtagswahlen der letzten Jahre belegen die Reichweite der Institutionalisierung des Rechtsextremismus ebenso wie dessen gestiegene Quantität, – auch wenn die politische Praxis beide Parteien offenkundig vor persönliche und strukturelle Probleme stellt.
Rassismus und Rechtsextremismus stellen eine latente Gefahr für den demokratischen Staat und die pluralistische Gesellschaft der BRD dar. Idee, Ausmaß und Nachhaltigkeit der Bedrohung zu bagatellisieren, spielt den Neonazis allenfalls in die Hände und vergrößert die Gefahr. Mit dem Eintritt in das neue Jahrtausend ist die Gefährdung nicht verschwunden. „Wer erwartet hatte, nach den Pogromen von Rostock und Hoyerswerda, nach der faktischen Aufhebung des Grundrechts auf Asyl, nach den Mordanschlägen in Mölln und Solingen werde der „rechte Spuk“ wieder verschwinden, musste sich mit dem Anschlag auf die Synagoge in Lübeck eines Schlimmeren belehren lassen: Rechte Gewalt und Rassismus sind kein „Spuk“, der vom „Rand“ der Gesellschaft plötzlich auftaucht und ebenso plötzlich wieder verschwindet.“ (Tillner) Es ist Zeit für einen gesellschaftlichen Diskurs, der die rassistische Gewalt ächtet und die Ideologie der Ungleichheit ablehnt. Die Alltagsrealität der BRD zeigt, dass es höchste Zeit ist für eine Auseinandersetzung mit der rapiden Gesellschaftsveränderung auf dem Hintergrund der beinahe gesamtgesellschaftlichen Weigerung, die heute täglich begangenen rassistischen Morde eben als solche öffentlich zu machen und sie zu verhindern. Der ehemalige Präsident des Zentralrat der Juden, Paul Spiegel, hat Recht, wenn er sagt: „Wir befinden uns bereits mittendrin im Kampf gegen Rechts.“
Erklärungsmuster für Rechtsextremismus
Der aktuelle Rechtsextremismus wird nicht mit einem eindimensionalen Diskurs verstehbar, sondern nur in der Kombination psychologischer, soziologischer und politischer Deutungsmuster innerhalb historischer Prozesse. Rechtsextremistische Orientierungen sind nicht auf einzelne Ursachen zurückzuführen, sondern werden jeweils von einer Reihe von Faktoren beeinflusst. Diese Einsicht eröffnet die Möglichkeit, der quantitativen und der qualitativen Bedrohung der bundesdeutschen Demokratie durch rechtsextremistische Orientierungen und Gewalt zu begegnen und dabei populistische und vorschnelle Scheinerklärungen zu vermeiden. Dabei lassen sich zentrale Erkenntnisse formulieren:
- Rechtsextremismus ist ein gesellschaftlich-politisches und kein lediglich individuelles Problem. Während der öffentliche Diskurs den Rechtsextremismus tendenziell ausschließlich in der Subjektivität der Bürger lokalisiert in ihren Einstellungsmustern, Verhaltensweisen, Vorurteilen, Normen und Werten und sich dabei bemüht, den politischen Kern auszublenden und die Motive der Tat zu entpolitisieren und zu individualisieren, gelangt ein explizit politisches Erklärungsmuster zu dem Ergebnis, dass der Rechtsextremismus als Phänomen aus der Mitte der Gesellschaft kommt und zudem nicht einfach in der Mitte der Gesellschaft angekommen, sondern ein Produkt dieser modernen Mitte und die radikale Infragestellung der demokratischen Kultur dieser Mitte ist.
- Rechtsextremismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und kein spezielles Problem der Jugendlichen. Wenngleich primär Jugendliche rassistische und rechtsextremistische Gewalttaten verüben und primär junge Erwachsene rechtsextremistische Parteien wählen, so ist doch die Schlussfolgerung falsch, Rechtsradikalismus sei ein Problem der Jugend. Die Konzentration auf eine besondere Altersgruppe verhindert als politische Konsequenz eine Auseinandersetzung mit der ideologischen und strukturellen Verankerung von Rechtsextremisten in allen Teilen der Gesellschaft.
- Rechtsextremismus ist in verschiedenen sozialen Gruppen verankert und nicht das Problem sozioökonomischer Unterprivilegierung. Als politisches bzw. kulturelles Phänomen ist Rechtsextremismus „kein vorrangiges oder ausschließliches Problem der Zukurzgekommenen, sondern in seiner systematischen Erscheinungsform vor allem ein Problem der Etablierten bzw. jener, von denen erwartet wird und die von sich selbst erwarten, dass sie einmal dazugehören. – mit aller Gewalt.“ (Rommelspacher) Obschon die Dauer der formalen Bildung in einem negativen Zusammenhang zu praktisch allen Dimensionen und Indikatoren des Rechtsextremismus steht und zur Arbeiter- und unteren Mittelschicht zählende Jungen und Mädchen anfälliger für die Neonazi-Kultur sind als junge Leute, die anspruchsvollere Schulen besuchen, verfügen nicht zuletzt gut situierte Mitglieder aus der Mitte der Gesellschaft über rechtextremistische Orientierungen.
Rechtsextremismus ist ein Problem der gesamten BRD und kein Problem der neuen Bundesländer. Schon vor Hoyerswerda gab es rassistische Angriffe auf Einwanderer in der ehemaligen DDR, schon vor der Vereinigung gab es in der damaligen Bundesrepublik rassistische Angriffe auf Einwanderer – abgesehen von den alltäglichen Rassismen. Trotz unterschiedlicher historisch-politischer Ausgangslage und divergierender Rahmenbedingungen weisen rassistische Orientierungen und rechtsextremistische Erscheinungsformen hüben wie drüben Parallelen auf. „Von einer allgemeinen Verlagerung des Rechtsextremismus von West- nach Ostdeutschland lässt sich in dieser Pauschalität nicht sprechen. (Pfahl-Traughber)
- Rechtsextremismus ist ein europäisches und nicht lediglich ein bundesdeutsches Problem. Im Zuge verschärfter Verteilungskämpfe der Global Player um ökonomische und soziale Ressourcen und unter den Vorzeichen verstärkter Migrationsbewegungen verlieren humanistische und demokratische Prinzipien zu Gunsten elitärer und antidemokratischer Steuerungsstrategien an Bedeutung. Stattdessen verbreiten sich verstärkt Denk- und Handlungsmuster, die Minderheiten ausgrenzen und Gewaltoptionen nicht ausschließen. Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus sind in den 1990er Jahren in vielen europäischen Staaten zu einem politischen und gesellschaftlichen Problem geworden, das nicht nur die modernen westliche Industriegesellschaften betrifft.
- Rechtsextremismus ist primär ein Männer-Problem. Frauen stellen lediglich 20% bis 30% der Mitglieder in rechtsextremistischen Einrichtungen, und lediglich ein Drittel der Wählerschaft rechter Parteien sind Frauen. Empirisch lässt sich nachweisen, dass die Ausprägung der rechtsextremen Orientierungen eng mit den subjektiven Erfahrungen der Mädchen und Frauen verbunden ist. Der „gender gap“ im Rechtsextremismus reflektiert sowohl die traditionelle Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern als auch die Politikrelation von Frauen sowie die geschlechtsspezifischen Ausdrucksmöglichkeiten gegenüber Gewalt. „Die gegenwärtig entscheidende – historisch, sozial, politisch und kulturell begründete Geschlechterdifferenz im Verhältnis zu Rechtsextremismus und Gewalt liegt in der Gewaltdistanz und dem sozialen Kompensationsdenken von Frauen.“ (Jansen) Dagegen findet sich bei Jungen und Männern der Rechtsextremismus besonders ausgeprägt in seiner gewalttätigen Form auf der Straße sowie in einem Politikverständnis, das auf Großmachtpolitik und Expansionismus ausgerichtet ist.
Strategien gegen den Rechtsextremismus
Der Spaltung in die Einen und die Anderen, die Richtigen und die Falschen setzen wir eine Welt des Friedens, der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Glücks entgegen. Wir engagieren uns für die Gleichwertigkeit aller Menschen in einer friedlichen und demokratischen Zivilgesellschaft. Wir wünschen uns eine multikulturelle Gesellschaft, in der die Vielfalt menschlicher Existenz die Alltagsmöglichkeiten des Individuums ebenso bereichert wie die Lebenswirklichkeiten der Gesellschaft – „zumal ja Multikulti längst existiert und trotz Störungen auch funktioniert und durchaus floriert.“ –Der 19-Jährige Tino sagt dazu: „Ich bin für Multikulti! Viele sagen, Multikulti sei Wischiwaschi, viele beschränkte Einheimische sagen: Um Gottes willen, eine Moschee in meiner Umgebung“ Die empfinden das als Bedrohung. Die haben Angst, dass sich alle Kulturen irgendwie verlaufen ineinander. Ich sehe das Ganze wie einen Marktplatz. Es gibt lauter verschiedene Stände und jeder bietet etwas Anderes an. Man ist sich einig und lebt harmonisch.“
Hilfestellungen bei rechtsextremistischer Bedrohung
Ruhig bleiben – Keine hastigen Bewegungen machen.
Aktiv werden – Zeigt, dass es Euch nicht gleichgültig ist, was passiert. Jede Handlung verändert die Situation und kann andere dazu bringen, ebenfalls einzugreifen.
Lasst Euch nicht in eine Opferrolle drängen – Wenn Ihr angegriffen werdet, verhaltet Euch nicht unterwürfig. Der Täter fühlt sich sonst bestätigt. Handelt selbst, bevor der Andere handeln kann.
Haltet Kontakt zum Angreifer – Haltet Blickkontakt, sagt etwas. Ein stummes „Etwas“ ist ein leichtes Opfer. Hört zu, was der Angreifer sagt. Aus den Worten könnt Ihr eigene Schritte ableiten.
Nicht drohen oder beleidigen – Macht keine geringschätzigen Äußerungen über den Angreifer. Kritisiert sein Verhalten, aber wertet ihn nicht persönlich ab.
Holt Euch Hilfe – Sprecht einzelne Personen an. Viele sind bereit zu helfen, wenn ein anderer den ersten Schritt tut oder sie selbst persönlich angesprochen werden.
Vermeidet möglichst Körperkontakt – Körperkontakt ist in der Regel eine Grenzüberschreitung, die zu weiteren Aggressionen führt. Wenn möglich, nehmt lieber direkten Kontakt zum Opfer auf.
Wägt das Risiko ab – Falls direktes Eingreifen zu gefährlich ist oder Ihr zu direkter Hilfe nicht in der Lage seid, holt so schnell wie möglich Hilfe und alarmiert umgehend die Polizei.
„Schüler und Schülerinnen gemeinsam gegen Rechts“
Demonstration am 17.10.2000
Anke
“Hilfe! Hilfe! Warum hilft mir denn keiner?
Ich kann nicht mehr! Diese Schritte. Warum sie mich verfolgen? Ich weiß es nicht! Ich habe ihnen nichts getan! Trotzdem jagen sie mich jetzt durch die Fußgängerzone der Stadt. Der Stadt, in der ich geboren wurde.
Ich renne und renne, mein Kopf fühlt sich an, als würde er platzen. Ich weiß nicht, was ich machen soll … Die Schritte – sie kommen immer näher!“
Kira
“Hilfe! Hilfe!! Warum hilft mir denn keiner?
Ich fühle mich, als wäre ich unsichtbar, als wenn lediglich meine Verfolger mich sehen könnten! Ich glaube, diese Menschen wollen mir gar nicht helfen.
Eine Gasse! Wenn ich mich beeile, sehen meine Verfolger vielleicht nicht, wie ich in ihr verschwinde. Oh Gott, ich hab’s geschafft! Hoffentlich geht das gut. Nein! Nein! Ich höre sie, sie haben mich doch gesehen! Jetzt greift einer nach mir! Warum schubsen die mich denn so herum? Was habe ich denn getan, dass die mich jetzt schlagen müssen?“
Anke
“Warum macht ihr das? Ich hab euch doch nichts getan?!“
Wieso beschimpfen die mich jetzt? Meine Nase fängt an zu bluten. Warum lachen die denn jetzt? Weshalb gefällt es denen, dass ich Schmerzen habe? Was hab ich denen denn getan? Ich kann mich nicht mehr auf den Beinen halten. Mein ganzer Körper schmerzt. Ich sacke zu Boden! Mein Gesicht! Mein Rücken! Mein ganzer Körper ist wie gelähmt. Ich kann mich nicht mehr bewegen! Und meine Verfolger? Die treten lachend auf mich ein, auf mich, der am Boden liegt, sich nicht wehren und auch nicht bewegen kann.
Kira
Was habe ich denn falsch gemacht? Ich habe doch nichts getan!
Endlich haben sie die Lust verloren auf mich einzutreten. Sie sind weg. Ich schleppe mich zurück in die Fußgängerzone, in der Hoffnung, dass mir irgendjemand hilft. Wenigstens jetzt … Jetzt, wo ich am Boden liege, allein und hilflos.
Warum hat mit denn keiner geholfen? Es waren doch so viele da!
(10 Sekunden Pause)
Anke
Nein!
Kira
Nein!
Anke
Nein!
Kira
Nein!
Anke
Ein so einfaches Wort. Warum wird es nur so selten benutzt?! Es wäre doch so einfach!
Kira
- Nein zu Rechtsextremismus
- Nein zu Antisemitismus und
- Nein zu Faschismus, denn Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!
Anke
Es ist ja nicht so, dass das rechte Gedankengut nur in Form von Gewalt vorhanden wäre. Man betrachte sich einmal den Satz: „Ich hab ja nichts gegen Ausländer, aber …“
Kira
Dieses „ABER“ darf es nicht geben, denn es drückt Gleichgültigkeit und Ablehnung gegenüber den Menschenrechten und der Menschenwürde aus, auf die in unserer demokratischen Gesellschaft jeder ein Recht hat.
Anke
Wenn euch das gleichgültig ist, macht ihr euch mitschuldig. Mitschuldig an Tod von 93 Opfern dieser Gewalt, die starben, nur weil sie anders waren:
Kira
- Weil sie eine andere Hautfarbe hatten,
Anke
- weil sie keine Wohnung hatten,
Kira
- und weil sie einfach anders dachten.
Anke
ALSO: macht euch nicht zu Mittätern, zeigt Zivilcourage!!!
Kira
Zeigt, dass es euch nicht gleichgültig ist, was passiert. Denn es passiert mit eurer Zukunft!!!!!
Anke
Wenn nicht jetzt – wann dann?
Kira
Wenn nicht wir, wer dann?
Anke und Kira
Zivilcourage gegen Rassismus -mach mit!
Mehr Informationen
Lesetips
- Hasselbach, Ingo;: Die Bedrohung. Berlin 1996
- Laing, Jonas: 100 Projekte gegen Ausländerfeindlichkeit, Rechtsradikalismus und Gewalt. Göttingen 1996
- Jelloun, Tahar Ben: Papa, was ist ein Fremder? Berlin 1999
- Pfahl-Traughber, Armin: Rechtsextremismus. München 1999
- Arnswald, Ulrich u.a. (Hrsg.): Sind die Deutschen ausländerfeindlich? Köln 2000
- Butterwegge, Christoph / Lohmann, Georg (Hrsg.): Jugend, Rechtsextremismus und Gewalt. Opladen 2000
- Hasselbach, Ingo: Die Abrechnung. Berlin 2001
- Hufer, Klaus-Peter: Argumentationstraining gegen Stammtischparolen. Schwalbach 2001
- Klärner, Andreas / Kohlstruck, Michael (Hrsg.): Moderner Rechtsextremismus in Deutschland. Bonn 2006
- Staud, Toralf: Moderne Nazis. Bonn 2006